Folge 29 – September 2023

Vor 40 Jahren:

Borussia Neuenhaus schlägt Prominentenauswahl mit 2:1

Am 2. September 1983 findet in Neuenhaus aus Anlass des 75-jährigen Vereinsbestehens ein ganz
besonderes Spiel statt: Bezirksligist Borussia Neuenhaus trifft auf eine aus ehemaligen Nationalspielern
und Bundesligaprofis bestehende Prominentenauswahl, darunter der Weltmeister von 1974, Jürgen
Grabowski, sowie die Dortmunder Europapokalsieger von 1966, Lothar Emmerich und Siggi Held. Die
Borussen geraten in der Anfangsphase zwar unter Druck, ihr überragender Torhüter Dieter Sloot hält
jedoch mit Glück und Geschick seinen Kasten sauber, so dass es zur Halbzeit 0:0 steht. In der 2. Halbzeit
werden die Neuenhauser mutiger und gehen schließlich gegen die technisch zwar versierten, aber
umständlich und wenig zielstrebig agierenden Altstars durch einen Kopfball von Hans-Jürgen Jürriens in
Führung. In der 74. Minute setzt Borussen-Stürmer Herfried Lankhorst von der Mittellinie zu einem
Solo an und erzielt mit einem fulminanten 20-Meter-Schuss gar das 2:0 für die Gastgeber. Den sichtlich
überraschten Exprofis (bis zum Spiel in Neuenhaus war die Truppe über vier Jahre ungeschlagen!)
gelingt durch Lothar „Emma“ Emmerich lediglich noch der Anschlusstreffer (86. Minute). Bester Mann
bei den Ex-Profis, bei denen leider einige Stars (u.a. Uwe Seeler, Wolfgang Overath und Günter Netzer)
absagen müssen, ist der Frankfurter Weltmeister Jürgen Grabowski.
Die Mannschaften:
Borussia Neuenhaus: Dieter Sloot, Willi Walenski, Bernhard Krause, Jürgen Oude-Wesselink, Holger
Büscher, Wolfgang Lehmann, Jürgen Haase, Hartmut Beckmann, Bernhard Hillen, Henry Molendyk,
Herfried Lankhorst, Michael Klute, Hans-Jürgen Jürriens, Günter Revermann, Thomas Kohn
Altstars: Wolfgang Fahrian (10 Länderspiele/WM-Teilnehmer 1962/67 Bundesligaspiele für Hertha BSC,
München 1860 u. Fortuna Köln), Reinhold Wosab (257 BL-Spiele für Dortmund u. Bochum), Helmut
Kremers (8 Ländersp./WM-Teilnehmer 1974/273 BL-Sp. für Gladbach, Offenbach u. Schalke), Dieter
Zembski (1 Ländersp./301 BL-Sp. für Bremen u. Braunschweig), Willi Schulz (66 Ländersp./WMTeilnehmer
1962, 66 u. 70/263 BL-Sp. für Schalke u. HSV), Horst Köppel (11 Ländersp./308 BL-Sp. für
Stuttgart u. Gladbach), Dieter Herzog (5 Ländersp./WM-Teilnehmer 1974/250 BL-Sp. für Düsseldorf u.
Leverkusen), Jürgen Grabowski (44 Ländersp./WM-Teilnehmer 1966, 70 u. 74/441 BL-Sp. für Frankfurt),
Sigfried Held (41 Ländersp./WM-Teilnehmer 1966 u. 70/422 BL-Sp. für Dortmund, Offenbach u.
Uerdingen), Lothar Emmerich (5 Ländersp./WM-Teilnehmer 1966/183 BL-Sp. für Dortmund), Uli Braun
(66 BL-Sp. für Bielefeld), Klaus-Dieter Dewinski (19 BL-Spiele für den VfL Bochum)
Vor 80 Jahren:

Wolfgang Overath, Weltmeister 1974 und Kölner FC-Legende, geboren

Am 29. September 1943 wird er in Siegburg (30 Kilometer südöstlich von Köln) als achtes und letztes
Kind der Familie Overath geboren, jetzt wird er 80 Jahre alt: Wolfgang Overath.
Ab 1953 spielt er beim heimischen Siegburger SV 04 Fußball und bringt es dort bis in die deutsche
Schüler- und Jugendnationalmannschaft. Noch vor dem Abitur verlässt er das Gymnasium, um sich auf
den Fußball zu konzentrieren. Mit dem Bundesligastart 1963 beginnt seine beeindruckende
Profikarriere beim 1. FC Köln, die 14 Jahre dauern und den temperamentvollen offensiven
Mittelfeldspieler (damals sagt man noch „Halbstürmer“) zu einer Vereins-Legende machen wird (am
Ende stehen für ihn 409 Bundesligaspiele für den 1. FC Köln zu Buche, in denen er 83 Tore erzielt).
Gleich am allerersten Bundesligaspieltag am 24. August 1963 gelingt dem 19-jährigen Wolfgang
Overath beim 2:0-Sieg in Saarbrücken in der 22. Minute das Führungstor für seinen 1. FC Köln. Er ist
damit der allererste Bundesligatorschütze für den FC überhaupt. Auch an den Spieltagen zwei und drei
trifft der junge Linksfuß jeweils, und nach dem fünften Bundesligaspieltag wird er von Sepp Herberger
bereits in den Nationalkader für das Länderspiel gegen die Türkei berufen, bei dem er – einen Tag vor
seinem 20. Geburtstag – zur Halbzeit für Friedhelm Konietzka eingewechselt wird. Am Ende der Saison
1963/64 kann Wolfgang Overath sich mit dem 1. FC Köln als souveräner erster Bundesligameister feiern
lassen; er hat alle 30 Saisonspiele bestritten und dabei 9 Tore erzielt. In den folgenden 13
Bundesligaspielzeiten bis 1977 führt Overath den 1. FC Köln insgesamt weitere zehnmal unter die
ersten Fünf der Bundesliga-Abschlusstabelle (Meister wird der FC allerdings erst 1978 wieder;
ausgerechnet im ersten Jahr nach Overaths Karriereende). 1968 holt Wolfgang Overath mit den Kölnern
durch einen 4:1-Finalsieg gegen den VfL Bochum den DFB-Pokal. 1977 steht er zum Karriereabschluss
noch einmal im Pokalendspiel gegen Hertha BSC, da dieses jedoch nach Verlängerung mit 1:1 endet
und es damals noch kein Elfmeterschießen gibt, wird ein Wiederholungsspiel notwendig.
Was sich zunächst keiner vorstellen kann, passiert: FC-Trainer Hennes Weisweiler, der seit seinem Wechsel nach
Köln (1976) des Öfteren mit seinem Mittelfeldstar Differenzen hat (ähnlich wie zuvor schon bei seinen
Trainer-Stationen in Mönchengladbach und in Barcelona mit den dortigen Stars Günter Netzer
beziehungsweise Johan Cruijff), verzichtet im zweiten Finale auf Overath. Ohne ihren langjährigen
Kapitän, der das Spiel 90 Minuten lang von der Ersatzbank aus sieht, gewinnen die Kölner die Final-
Wiederholung mit 1:0. Trotz des FC-Pokalsieges ein trauriges Karriereende für Wolfgang Overath.
Das Ende seiner 81 Länderspiele umfassenden Nationalmannschaftskarriere (17 Tore gelingen ihm
dabei), die von drei erfolgreichen Weltmeisterschaften geprägt wird, gestaltet sich hingegen äußerst
positiv. Bereits bei seiner ersten WM-Teilnahme 1966 in England gelingt Overath der internationale
Durchbruch. Er bestreitet alle sechs deutschen Spiele und kehrt nach der äußerst unglücklichen Final-
Niederlage gegen die englischen Gastgeber (das Endergebnis lautet nach Verlängerung 2:4, das
„Wembley-Tor“ der Engländer zum 2:3 ist bis heute umstritten) als Vizeweltmeister heim.
Der Sportjournalist Ulfert Schröder schreibt damals über ihn: „Er spuckt Feuer, geht mit Haut und Haaren
auf, verzehrt sich, schimpft und tobt“. Besonders stark spielt Wolfgang Overath bei der WM 1970 im
glühendheißen Mexiko. Wieder ist er bei allen deutschen Spielen „gesetzt“, ist also auch bei den
legendären Partien gegen England (Viertelfinale, 3:2 nach Verlängerung nach 0:2-Rückstand) und
Italien (Halbfinale, 3:4 nach Verlängerung, 5 der 7 Tore fallen in der Extra-Zeit) dabei. Im Spiel um Platz
drei ist Overath bester deutscher Akteur und erzielt das entscheidende Tor zum 1:0-Erfolg gegen
Uruguay. Der große Brasilianer Pelé sagt anschließend: „Wolfgang Overath war für mich bei der
Weltmeisterschaft in Mexiko der absolut beste deutsche Spieler“. Vor der Heim-WM 1974 wird
zunächst lange diskutiert, wer beim Turnier Regisseur im deutschen Mittelfeld sein soll: erneut
Wolfgang Overath oder der mittlerweile zu Real Madrid gewechselte Günter Netzer, der 1972 beim
deutschen EM-Triumph auf diesem Posten glänzte. Letztlich entscheidet sich Bundestrainer Helmut
Schön aufgrund der größeren Fitness für Wolfgang Overath. Overath ist dann auch 1974 in allen
deutschen WM-Spielen dabei und erzielt zwei Treffer. Durch einen 1:0-Sieg gegen Polen in der
sogenannten „Wasserschlacht von Frankfurt“ zieht er mit der deutschen Nationalelf ins Münchner
WM-Endspiel ein, das die Gastgeber gegen die bärenstarken Niederländer um Kapitän Johan Cruijff
nach hartem Kampf mit 2:1 gewinnen. Damit ist Wolfgang Overath nach den Plätzen zwei (1966) und
drei (1970) auf Platz eins angekommen, er ist Weltmeister! Dass er nach dem
Erreichen dieses Maximalziels, auf dem Höhepunkt des Erfolges, seinen Rücktritt
aus der Nationalmannschaft erklärt, erscheint nachvollziehbar.
Nach dem Karriereende 1977 betätigt sich Wolfgang Overath lange Jahre als
Repräsentant für „Adidas“, nebenbei spielt der brillante Techniker weiter mit
großem Ehrgeiz in Prominenten- und Hobbymannschaften Fußball. Von 1994 bis
1998 sitzt er im Verwaltungsrat des 1. FC Köln, von 2004 bis 2011 amtiert er als
FC-Präsident. Wolfgang Overath ist verheiratet, er hat zwei Söhne und eine
brasilianische Adoptivtochter.

Test ASR

Wolfgang Overath nach dem WM-Sieg am 7. Juli 1974 / Wikipedia
Norbert Voshaar [Lit.: SV Borussia 08 Neuenhaus: „Rückblick 1908-2008“ – Festschrift zum 100-jährigen Bestehen (2008) / Grafschafter
Nachrichten vom 5.9.1983 / Karlheinz Mrazek: „Die besten deutschen Nationalspieler“ (1997) / Kicker-Almanach 2023 (2022) / Wikipedia]